Repräsentative Moscheen und Networking

Eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen kommunaler Vernetzung von Moscheegemeinden und Moscheebauprojekten in Nordrhein-Westfalen

Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit der Errichtung und der Unterhaltung von repräsentativen Moscheen und der kommunalen Vernetzung von muslimischen Gemeinden in ausgewählten Städten Nordrhein-Westfalens.

Seit den 90er Jahren errichten die in Deutschland ansässigen muslimischen Gemeinden zunehmend multifunktionale, nach außen hin erkennbare Moscheen und betreten hiermit den öffentlichen Raum (west-) deutscher Städte.
Diese Art der Institutionalisierung des Islams vollzieht sich insbesondere in den Kommunen und ist häufig durch Widerstände bei der lokalen Bevölkerung gekennzeichnet. Diese häufig sehr emotionalisierten Konflikte können hinsichtlich ihrer Dynamik sowie ihrer Akteurskonstellationen je nach Moschee und Stadt variieren. Zugleich bieten diese Auseinandersetzungen Anlass zu vielfältigen Dialogveranstaltungen und eröffnen Kommunikationskanäle zwischen den betroffenen Moscheevereinen und anderen staatlichen wie auch zivilgesellschaftlichen und religiösen Akteuren.
An dieser Stelle setzt das Dissertationsprojekt an und fragt nach dem Zusammenhang zwischen dem Repräsentativ-Werden von Moscheegemeinden und ihren Beziehungen zur (städtischen) Umwelt. Welchen Einfluss hat die Vernetzung einer Moscheegemeinde auf den Erfolg ihres Moscheebauvorhabens (gemessen z.B. an dem Zeitraum zwischen Ankündigung und endgültigen Anfertigung der Moschee)? Welchen Einfluss hat das Repräsentativ-Werden einer Moschee auf die langfristigen Beziehungen der Moscheegemeinde zu ihrer Umwelt? Welche Formen des Dialogs entstehen und wie nachhaltig sind diese? Wodurch ergeben sich Unterschiede in den Konfliktaustragungsformen und den Vernetzungsstrukturen in den verschiedenen Städten NRW’s. Wie werden sowohl die Sichtbarwerdung der muslimischen Gemeinden, wie auch die Kooperation miteinander von kommunalen Akteuren (Kirchen, Moscheegemeinden, Kommunalpolitiker, Bürgervereine) wahrgenommen und gedeutet?
Ziel des Dissertationsprojekts ist es ein tieferes Verständnis für die Situation der praktizierenden Muslime in Deutschland vor allem auf der kommunalen Ebene zu bekommen und einen Beitrag zur Versachlichung der Integrationsdebatten zu leisten, sowie Handlungspotenziale für den Umgang der Kommunen mit religiösen Migrantengemeinden herauszuarbeiten.

 

Kontext

Die Errichtung von repräsentativen Moscheen mit ihrer starken symbolischen Außenwirkung bietet ein besonders geeignetes Untersuchungsfeld, um die Beziehung zwischen Migranten und der Aufnahmegesellschaft zu untersuchen. Der Aspekt der baulichen Sichtbarkeit, der damit verbundenen Konflikte mit seinen nachhaltigen Folgen hat bisher bei der Analyse von religiösen Migrantenorganisationen in Deutschland eine eher geringe Rolle gespielt. Diese Elemente sollten, wie die aktuellen Debatten über muslimische Präsenz zeigen, bei der Betrachtung dieser Migrantenorganisationen und ihrer Veränderung mitbedacht werden. Mit dem Fokus auf die Beziehung zwischen den Moscheevereinen und anderen kommunalen Akteuren steht in diesem Vorhaben eine relationale Perspektive im Vordergrund.

Die Vernetzung wird dabei nicht als eine einseitige Aufgabe oder Strategie von festgelegten Akteuren verstanden, sondern als das Ergebnis des fortwährenden Zusammenspiels aller Beteiligten. Zugleich wird berücksichtigt, dass diese in ihren Handlungsressourcen von ihren sozialen Netzwerken beeinflusst sind. Damit wird auf die Wechselwirkung zwischen Handlung und Struktur im Migrationskontext eingegangen und anhand der vorgestellten Thematik nachgezeichnet und analysiert.

 

Methode

Die Arbeit beruht auf einem qualitativ angelegten Design. Im Rahmen der empirischen Untersuchung werden mehrere Fallstudien in NRW, dem Bundesland mit der größten Anzahl an Muslimen und repräsentativen Moscheen, durchgeführt. Das empirische Grundgerüst bilden Leitfadeninterviews, die mit Moscheevorsitzenden und Imamen, sowie kirchlichen, kommunalpolitischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren durchgeführt werden. Hiermit können die Hintergründe, der Verlauf des Moscheebauprojekts und die Aushandlungsprozesse möglichst detailliert dargestellt werden, wie auch die Charakteristika der gegebenen Kommune mit ihren Akteuren erschlossen werden. Zudem fließt eine umfangreiche Analyse von lokalen Presseartikeln und anderen Dokumenten (Satzungen, Ratsprotokolle etc.) in die Gesamtauswertung ein.

Ein zentrales Element der Studie stellt zudem die ego-zentrierte Netzwerkanalyse dar. Diese Methode ist besonders geeignet für die Erschließung der Beziehungen von Akteuren mit ihrer Umwelt und gibt im Rahmen der Studie Aufschluss über den Ressourcenaustausch und die verschiedenen Verbindungen zwischen den Moscheevereinen und anderen kommunalen Stellen. Das komparativ angelegte Forschungsprojekt stützt sich auf einen dreifachen Vergleich: Es werden in erster Linie sunnitische Gemeinden, die in den letzten Jahren repräsentative Moscheen erbaut haben, untersucht und sowohl miteinander als auch mit sogenannten „Hinterhofmoscheen“ verglichen. Zudem erfolgt bei jeder Gemeinde ein Vorher-Nachher-Vergleich. Dieses Vergleichsdesign erlaubt es sowohl die Effekte des Repräsentativ-Werdens und die Dynamik von Netzwerken nachzuvollziehen, wie auch die Besonderheit der sichtbar gewordenen Moscheegemeinden und die unterschiedlichen (kommunalen) Einflussfaktoren auf die Moscheebauprojekte zu erfassen.

Beteiligte Personen

PS

Dipl.-Sozw. Piotr Suder

Einzelforscher*in